Tai Chi ist ursprünglich eine alte chinesische Kampfkunst. Die Kämpfer waren berühmt für ihre weiche und dennoch effektive Technik die weniger auf Akrobatik als auf Effizienz setzte. Auch heute ist Tai Chi als Kampftechnik nach wie vor durchaus berühmt. Allerdings weniger bei uns Europäern als in Asien. Außerdem gilt Tai Chi in China als hervorragende Methode zur Therapie und Vorbeugung von vielerlei Erkrankungen, als wirksame Entspannungstechnik und als ausgezeichnete Methode zur Steigerung und Erhaltung der Lebenskraft “Chi”. Dies ist es auch was die Menschen hierzulande hauptsächlich an Tai Chi fasziniert. Fast jeder kennt das Gefühl der Verspannung und Abgeschlagenheit. Im Extremfall führen die Verspannungen zu Schmerzen und permanenter Unruhe weil keine Haltung mehr bequem erscheint. Die Abgeschlagenheit führt zu Unlust Untätigkeit bis hin zur totalen Erschöpfung. Man sagt man fühlt sich ausgebrannt und der eigene Körper fühlt sich fremd und unbequem an. Woher kommt dieses Gefühl? Im Laufe seines Lebens wird der Körper immer wieder den verschiedensten Schockeinwirkungen ausgesetzt. Diese sind physischer und psychischer Natur. So etwa der Fahrradunfall bei dem man sich die Knie oder die Schulter aufgeschlagen hat, aber auch die Auseinandersetzungen die man mit anderen Menschen hatte. All diese Ereignisse die im Laufe des Lebens dem Körper oder der Seele einen Stoß zugefügt haben. Die Knie sind längst verheilt und der Streit ist kaum noch in Erinnerung und dennoch, der Körper hat diese  Ereignisse abgespeichert und zwar an  Stellen die nicht unbedingt direkt mit dem Vorfall in Verbindung stehen aber eben doch Schwachstellen sind. Etwa an den Schultern oder an der Wirbelsäule. Der ursprüngliche Schock der damals auf die Psyche geschlagen hat und von dem wir uns längst erholt glaubten hat sich unmerklich an den Schultern kristallisiert und dort eingekapselt. Und so wirkt Stoß um Stoß und bildet Schalen der Verhärtung um unsere Schwachstellen wie bei einer Zwiebel. Der Körper ist schließlich gefangen wie in mehreren Zwangsjacken und selbst wenn man sich unbelastet wähnt ist man nicht mehr imstande wirklich loszulassen und zu entspannen.

Tai Chi ist nun in der Lage durch sanftes und andauerndes Dehnen diese Schalen aufzubrechen. Dazu bedarf es natürlich fortgesetzter und andauernder Übung. Einerseits ist es die körperliche Dehnung und andererseits auch die geistige Aufmerksamkeit die in die verspannten Muskeln und Gelenke eindringen und zu einer Auflösung der Problemzonen führen,bis hin zur ursprünglichen Entspannung. Durch fortwährendes Üben der Bewegungen werden alte Bewegungsmuster durch neue ersetzt, so dass selbst bei alltäglichen Beschäftigungen die Methode des “nicht anspannens” zur Normalität wird und der Körper insgesamt nach und nach immer weniger zusammengezogen, verhärtet und angespannt wird.

Sanfte, runde, fließende und pumpende Bewegungen bei denen die Muskulatur möglichst wenig hart angespannt wird sorgen dafür, dass der Körper von der Lebensenergie “Chi” durchflutet wird. Dies lässt sich deutlich fühlen sowohl beim Üben der Bewegungen als auch noch lange danach. Anspannungen bedeuten Blockaden für den freien Fluss des Chi und je verspannter der Körper ist desto mehr verbraucht sich diese ursprüngliche Kraft alleine darin den Körper zu bewegen. Werden aber die Muskeln entspannt, die Sehnen gelockert  und die  Gelenke geöffnet so ist man in der Lage diese Energie mehr und mehr fliessen zu lassen und zu speichern, so dass man noch lange nach dem Üben davon zehren kann und sich die Ausdauer und Belastbarkeit sehr erhöht. Und zwar sowohl körperlich als auch geistig. Das ganze verhält sich wie bei einem Gartenschlauch. Der Schlauch ist angeschlossen, das Wasser aufgedreht, aber im Verlauf  liegen Steine auf dem Schlauch und an vielen Stellen ist er stark geknickt. Ablagerungen haben den Querschnitt an vielen Stellen eingeengt und am Ende kommt nur ein dünnes Rinnsal aus der Öffnung. Wenn nun die Steine weggeschafft werden, die Knicke beseitigt und die Ablagerungen gereinigt werden, so erreicht der volle Druck die Öffnung unseres Gartenschlauches und er erfüllt seinen eigentlichen Zweck.

Ich weiß, wir sind kein Gartenschlauch, aber das Beispiel hat sehr viele Ähnlichkeiten mit dem freien Energiefluß im Körper der Menschen.